Der Rosenberg

Unter den schöngeformten Basalt- und Klingsteinkuppen, die aus dem benachbarten Böhmerlande zur Sächsischen Schweiz herübergrüßen, ist der Rosenberg der bekannteste. Ein arg zerzauster Mischwald bedeckt seine geröllreichen Steilhänge, uralte hohe Wetterbuchen krönen den Gipfel, sofern sie dem Waldsterben inzwischen nicht zum Opfer gefallen sind. Eine schöne, waldumschlossene Bergwiese lud hier oben unter ihren Wipfeln zu köstlicher Rast ein.


 
Der Rosenberg zwischen Rosendorf und Windisch-Kamnitz in der Böhmischen Schweiz

Riesige Trümmerfelder von Blöcken, sogenannte steinerne Meere, bedecken weite Flächen der Hänge, besonders an der Westseite. Aber sie haben nicht vermocht, das darunter ruhende Leben zu ersticken. Überall haben sich in zäher Arbeit zarte Blumen, Stauden, Strauch und Baum zwischen den flechtenbedeckten Steinen zum Lichte hindurchgearbeitet.

Unter den zahlreichen Kindern Floras, die am Rosenberg gedeihen, ist eine Menge seltener Pflanzen bemerkenswert. Blaue Leberblümchen leuchten auf der Kuppe und an den Hängen, Kellerhals (Seidelbast) ist noch zu finden, Nieswurz zeigt sich an vielen Stellen, Tollkirsche, Hexenkraut, Wolfsmilch, Zahnwurz, Hanfnessel, Bergehrenpreis oder Veronika, Waldhirse und Waldblatterbse - wer vermag sie alle aufzuzählen ! Kräutersammler, Botaniker und Heimatschützler wissen den Rosenberg als Fundstätte zu schätzen. Der basaltische buchenbeschattete Boden beherbergt eine geradezu üppige Pflanzenfülle.

Und auch an gefiederten Sängern und an Wild aller Art ist kein Mangel. Birkhahnbalz am Rosenberg - wer sie einmal mit erleben durfte, vergißt sie nie wieder ! Auch wenn durch Luftverschmutzung und das dadurch hervorgerufene Waldsterben einige Pflanzenarten unwiederbringlich vernichtet sein dürften, ist der Rosenberg schon durch seine Abgeschiedenheit immer noch ein Naturparadies.

Der Rosenberg

Fast 300 m überragt der Rosenberg die schön gewellte Sandsteinhochfläche von Binsdorf (Bynovec) - Arnsdorf (Arnoltice) - Rosendorf (Ruzova). Als Trabanten und Vorposten sind Hutberg, Simsberg, Sturm-, Peter-, Butterberg, Arnsberg und Tschabersberg aufgestellt. Nach Südwest hin geht der wildreiche Rosenbergwald in Richtung Heidenstein (Kamen) - Loosdorf (Ludvikovice) in anschließende Waldungen über, ebenso nach der Wilden Klamm, nach der Grundmühle (Dolsky mlyn), und ins Tal der Langen Biele, so daß man viele Stunden lang im Forste dahinwandern kann.

Reich ist das Rosenberggebiet an Wasseradern und Quellen. Ich nenne hier nur den am Südosthange befindlichen Eisborn mit den Eislöchern, in denen sich selbst im heißen Sommer noch Schneereste finden, ferner den „Guten Born”. Nach der Volkssage soll hier einst eine Kapelle ihren Platz gehabt haben. An eine andere Andachtsstätte erinnert der Flurname Altargründel. Eine Kapelle soll im Mittelalter auch den Gipfel gekrönt haben. Sie sei jedoch Anno 1326 durch ein Erdbeben zerstört worden, berichtet die Überlieferung.

Schon seit alten Zeiten wird der Berg von den Bewohnern der rings um seinen Fuß gelegenen Ortschaften gern bestiegen - Kamnitzleiten (Kamenicka stran), Rosendorf, Neudörfel (heute nicht mehr existierend), Johnsdorf, Arnsdorf, Binsdorf, Heidenstein, Loosdorf, Alt- und Neu-Ohlisch (Stara Oleska und Nova Oleska), Filippenau, Windischkamnitz (Srbska Kamenice), Schemmel (Vsemily), Dittersbach (Jetrichovice), Hohenleipa (Vysoka Lipa), Stimmersdorf (Mezna) und wie sie alle heißen. Der Berg soll ja einst eine altheidnische Kultusstätte und dann ein besuchter Wallfahrtsort gewesen sein.

Der Rosenberg gilt in der Gegend als Wetterprophet:

Trägt der Rosenberg eine Hauben,
Kannst du wohl an Regen glauben.

Das gesamte Wald- und Berggebiet gehörte bis zur Enteignung im April 1931 dem Fürsten Clary-Aldringen und zwar war es der Domäne Binsdorf und der dortigen Forstverwaltung unterstellt, während nach Osten zu unweit des Berges die ausgedehnte Kamnitzer Herrschaft der Kinskys rainte. Es darf hier im Zusammenhang damit einmal hingewiesen werden, wie sehr die Clary-Aldringens, besonders Fürst Edmund (1813-1894) den Fremdenverkehr gefördert und die Bestrebungen der Gebirgsvereine unterstützt haben. Ich nenne hier nur einige Beispiele:

  1. Erbauung des Belvedere bei Niedergrund und seiner Kapelle und Felsbastionen,
  2. Anlage der sogenannten Allee Binsdorf-Belvedere,
  3. Erschließung der Edmunds- und Wilden Klamm und Schaffung der Bootsfahrten,
  4. Erbauung des Hotels Rainwiese,
  5. Erschließung des Prebischtorgebietes und Errichtung der Gaststätte daselbst,
  6. Erhaltung der Kunststraße Herrnskretschen - Johnsdorf.

Auf Anregung und Bitten des böhmischen Gebirgsvereines finanzierten die Clary-Aldringens auch die Aussichtstürme und die Gaststätte auf dem Rosenberg. Davon wird dann noch die Rede sein. Als erste bescheidene „Baulichkeit” auf dem Gipfel ist - wenn wir von der sehr sagenhaften mittelalterlichen Kapelle absehen - eine im Jahre 1808 von der Landesregierung hier oben errichtete Beobachtungsstation zu verzeichnen, eine „Larumstange” (Alarmstange, Lärmstange), die auch vermessungstechnischen Zwecken diente.

A.Paudler erklärt den Begriff Larumstange näher: „Zum Baue wurde ein Platz gesucht, wo zwei große Tannen oder Fichten standen. Außerdem wurden noch zwei gleichgroße Stämme aufgestellt, so daß sie ein Viereck bildeten. In diese Stämme wurden sogenannte "Steigebäume" gehauen. Oben wurde aus Brettern eine Wachhütte oder ein Häuschen zusammengebaut, welches an der Außenseite mit Kalk bestrichen war. Aus diesem Wachstübchen lugte man dann in die Ferne. Wurde etwas besonderes wahrgenommen, so mußte sofort ein Eilbote ans nächste Oberamt abgesandt werden. Des Nachts unterhielt die Nachtwache unweit der Larumstange ein Wachtfeuer.”

Was Paudler offenbar selbst nicht wusste, ist die Tatsache, daß 1808 die Landesvermesser in Nordböhmen ankamen. 1808 wurde die Erste Militärtriangulierung etwa westlich der Elbe durchgeführt, 1810 dann östlich der Elbe. Auch der Rosenberg war ein Vermessungspunkt dieser miltärischen Triangulation, die aber weitgehend vor der Öffentlichkeit verborgen ablief. Deshalb wird in der Paudlerschen Beschreibung auch mit keiner Silbe erwähnt, daß die angebliche Larumstange (die diesen Zwecken womöglich AUCH diente) eigentlich der trigonometrische Signalturm der Triangulierung war.

In diese Zeit fällt auch ein Besuch Theodor Körners auf dem Rosenberge gelegentlich seiner Reise nach Schandau und durch die Böhmische Schweiz. Der Rosenberg hatte es dem jungen Freiberger Bergstudenten so angetan, daß er schrieb: „Es ist in seiner Form und in seinem Kolorit so etwas Herzliches, Trautes, Blühendes, daß ich mich ungern von ihm trennte. ...”

Eine der ersten Würdigungen des Rosenberges vom Standpunkt der Touristik aus findet sich 1845/46 in Albert Schiffners „Beschreibung der gesamten Sächsisch-Böhmischen Schweiz in ihrer neuesten Gestalt. Für Reisende”. Es heißt da, der konisch-glockenförmige Rosenberg sei einer der schönsten und massereichsten Hauptberge des genannten Gebietes. Seine Besteigung sei aber mühsam und belohne keineswegs durch umfassende Aussicht, da er durchaus bewaldet sei. „Nur schmale Perspektiven durch Gehaue und z.T. nur zwischen Bäumen hindurch lassen ahnen, das der Gipfel gelichtet eine der reichsten, wo nicht die allerreichste Umsicht der sächsisch-böhmischen Schweiz gewähren würde”.

Es bestand zu jener Zeit noch keine Einkehrstätte auf dem Rosenberg. Doch weist Schiffner hin, daß sich dicht unterm höchsten Punkte eine gute Quelle befinde. Diese würde die Errichtung einer Sommerwirtschaft sehr begünstigen. Den von mir schon erwähnten waldumschlossenen Wiesenplan auf dem Gipfel nennt Schiffner „die kleine Hegerwiese”. Ihre Nutzung stand dem Forstmann zu, der den Rosenberg zu betreuen hatte. Bei der Hegerwiese finden sich auch die schönsten Basaltsäulen des Rosenberges, die man später zu Ruhesitzen hergerichtet hat.Schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Rosenberg trotz des Fehlens einer Gaststätte von Reisenden viel besucht, ja selbst von ganzen Gesellschaften.

So schreibt H.Leupold in seinem 1860 erschienenen „Wanderbuch durch Sachsen und die Nachbarlande”, es sei vor drei Jahren eine Familie Fremder eine Nacht auf dem Rosenberg unter Zelten geblieben. „Wein, Tee, warme und kalte Küche, Musikanten hatten Herren und Damen lange in die Nacht hinein jubeln lassen”. Leupold bemerkt hierbei noch, der Rosenberg solle allerdings fürs Publikum nicht zugänglich gemacht werden, obwohl einige Stellen das höchst beschwerliche Aufsteigen einigermaßen lohnten.

Der erste Aussichtsturm auf dem Rosenberg (1881-1891)

20 Jahre später sollte das nicht mehr stimmen und der Rosenberg sogar einen Aussichtsturm erhalten: Fürst Edmund von Clary-Aldringen ließ auf dem Gipfel einen hölzernen, aus sechs Stockwerken bestehenden Turm von 14 m Höhe errichten, der auf einem unterkellerten Unterbau aus Stein stand. Der Luginsland wurde am 20.Mai 1881 unter Teilnahme weiter Kreise geweiht. Er trug über dem Eingang das Wappen des Fürsten als seines Stifters. Dieser ersten Rosenbergwarte sollte jedoch kein langes Leben beschieden sein: im Jahre 1891 traf sie ein Blitzschlag, der den Bau ziemlich stark beschädigte.

Da die Warte bei ihrer geringen Höhe ohnedies keine völlige Rundsicht gewährte, brach man den Turm ab und führte an seiner Stelle einen neuen auf. Er war um 10 m höher als der alte. Dieser 2. Luginsland wurde bereits am 4. Juli 1893 der Öffentlichkeit übergeben.

Der zweite Aussichtsturm auf dem Rosenberg (1893-1903)

Aber auch er sollte nur 10 Jahre stehen: Als im Frühjahr 1903 über die Sächsisch-Böhmische Schweiz schwere Stürme dahintobten, die auch dem Tanzplanturm das Grablied sangen, wurde die Rosenbergwarte vom Orkan umgeworfen und zertrümmert.

Schon im Frühjahr des nächsten Jahres ließ Fürst Clary-Aldringen den 3. Turm aufführen und zwar wiederum aus Holz. Er erhielt jedoch nur eine Höhe von 18 m. Zur Kriegs- und Nachkriegszeit war er wegen Baufälligkeit gesperrt. Doch konnte ihn jeder auf eigene Verantwortung besteigen, da die Absperrung ein Durchschlüpfen nicht verwehrte.

Der dritte Aussichtsturm auf dem Rosenberg (1904-1936) mit dem Gasthaus (1890-1931)
Merkwürdigerweise stimmt die Postkarte nicht mit der Realität überein, die Treppe geht am heute noch vorhandenen Turmfundament von der Gasthausseite zum Aussichtsturm hoch. !

Nach dem 1.Weltkrieg war von der Herrschaft die Errichtung eines neuen 4. Turmes geplant. Doch aus Besorgnis einer Enteignung ward das Projekt nicht ausgeführt, obwohl man im Herbst 1927 mit dem Neubau beginnen wollte.

Da entschloß sich die tatkräftige Rosenbergwirtin, Frau Anny Reichert, auf eigene Kosten den alten Turm völlig erneuern zu lassen. Diese gründliche Reparatur kam im März 1930 zur Ausführung und erforderte die Summe von 11000 Kronen.

Bei der Beschreibung der Turmbauten ist auch des Berggasthauses zu gedenken. Die erste Einkehrstätte auf dem Rosenberg wurde bereits 1882 eröffnet, also ein Jahr nach Erbauung des ersten Turmes. Das kleine Blockhaus stand bis zum Ende der Rosenbergwirtschaft, diente aber nur noch Wirtschaftszwecken.

Am 4.Mai 1890 wurde von der Herrschaft ein neues Berggasthaus im Schweizerstil errichtet, das auch Fremdenzimmer für Übernachtung erhielt sowie an der aussichtsreichen Südseite eine Veranda. Dieses Gasthaus ist im Laufe der Jahre mehrfach baulich verbessert worden.

Vor dem 1.Weltkrieg war Herr Füller aus dem Hause Rosendorf 173 Bergwirt. Nach ihm kam ein Herr Reichert aus Böhm.-Kamnitz, bei welchem Alfred Guth, Rosendorf 143, als Hausmeister beschäftigt war. Das Trinkwasser wurde in Butten auf halber Bergeshöhe vom Eisbrünnel geholt, der Einkauf der Lebensmittel in den Rosendorfer Geschäften getätigt. Bier und Limonade konnte nur bei ganz günstigem Wetter mit dem Pferdegespann hochgebracht werden, sonst mußte es in Buckelkörben von den Eislöchern weg getragen werden.

Während und nach dem 1.Weltkrieg blieben Rosenbergturm und Rosenbergwirtschaft lange Jahre geschlossen. Die Not war so groß, daß sich kein Pächter fand, der es riskieren wollte, die Bewirtschaftung zu übernehmen. Erst 1925 wurde das Berggasthaus neu eröffnet. Unter der neuen Bergwirtin, Frau Anny Reichert, hat sich die Rosenbergwirtschaft wieder zu einer vielbesuchten Ausflugsstätte entwickelt.

Die Gastwirtschaft auf dem Rosenberg um 1930

Zur Katastrophe kam es am 26.August 1931, als die aus Holz erbaute Gastwirtschaft auf dem Rosenberg von einem wohl durch Essenschaden verursachten Brande heimgesucht wurde, der den Bau völlig einäscherte und alles Inventar vernichtete. Die meisten Gäste saßen im Freiraum, als während des Frühstücks plötzlich Flammen aus dem Blockhaus schlugen. Im Nu war der ganze schöne, große und vor allem ausgetrocknete Holzbau ein Flammenmeer. Auch der Aussichtsturm fing schon zu brennen an. Durch die Hilfe der Wanderer konnte er aber vor größerem Schaden bewahrt werden. Als die Feuerwehren eintrafen, war nichts mehr zu retten.

Danach wurde längere Zeit nichts ausgeschenkt, bis ein Herr Roßmeisel vom Tetschner Schloß eine Bretterbude errichtete und ab dem 4.Juni 1933 wieder ausschenkte.

Am 13.Oktober 1936 wurde der Rosenbergturm wegen angeblicher Baufälligkeit abgetragen. Er ergab, nach Angaben des Försters, 23,5 m3 Brennholz und sechs Festmeter Bauholz. Der Abriß war nicht unbedingt zwingend, denn der Schmiedemeister Franz Schubert hatte einige Zeit vorher die Seile des 16 Meter hohen Turmes gespannt, aber auch teils emeuert.

Bemerkt sei nur noch, daß auch das erste Berggasthaus von einer Frau gepachtet wurde. Es war dies die frühere Kronenwirtin von Tetschen, Frau Beyer.

Die Gebirgsvereine haben der touristischen Bedeutung des Rosenberges viele Jahre lang Rechnung getragen durch Schaffung markierter Wege zum Gipfel. Es ist hier in erster Linie der am 16.Mai 1903 vollendete Kammweg vom Jeschken zum Rosenberg zu nennen, der mit dem bekannten vierzackigen blauen Kamm im weißem Felde markiert wurde. Dieser damals längste deutsche Touristenweg, der von der Oder über die deutsch-schlesischen und deutsch-böhmischen Grenzgebirge bis zur Donau geplant war, wies in der Teilstrecke Jeschken-Rosenberg eine Länge von etwa 70 km auf.

Ein zweiter wichtiger Wanderweg zum Rosenberg war mit einem blauen Kegel bezeichnet. Er leitete von Herrnskretschen durch die Dürrkamnitzschlucht und über Arnsdorf zum Rosenberg, um dann weiter nach Böhmisch-Kamnitz (Ceska Kamenice) zu führen. Der Hauptanstieg zum Rosenberg, der seit alten Zeiten gebräuchliche Weg, führte von Norden her auf den Gipfel. Sehr zu empfehlen ist der Abstieg in Ostrichtung, hinab nach Windischkamnitz-Schemmel zu der am Zusammenfluß von Kamnitz und Kreibitzbach gelegenen ehemaligen Bootsstation der Ferdinandsklamm. Auch eine Wanderung „Rund um den Rosenberg” ist sehr lohnend.

Heute ist es meist sehr still auf dem Rosenberg. Nur wenige Wanderer nehmen die Mühe der Besteigung auf sich. Unter Sträuchern und Gräsern kann man noch relativ leicht die Grundmauern des Berggasthauses finden. Markant sind die wenigen Überreste des Aussichtsturmes unweit der heutigen Gipfelbuchkapsel. Eine Aussicht jeweils in eine Richtung kann man von verschiedenen Punkten am Rande der Gipfelfläche genießen.

(Bearbeitet nach: S.Störzner, Der Rosenberg, Der Sächsische Bergsteiger, Mai 1933)


Quellen:


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letzte Änderungen vom 26.8.12