Eine Wanderung durch den Hinterhermsdorfer Grenzwinkel


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Der folgende Wandervorschlag ist eine Grenzlandwanderung gleich in doppelter Hinsicht. Einerseits führt die Route auf einer längeren Strecke entlang der sächsisch-böhmischen Landesgrenze, andererseits verläuft sie in einem Gebiet, in dem die Lausitzer Granitlandschaft und das Elbsandsteingebirge aneinandergrenzen.

Der Ausgangspunkt Hinterhermsdorf ist neben dem Auto auch mit dem Bus erreichbar, während des Winterhalbjahres allerdings nur über Sebnitz. Hinterhermsdorf wird bereits 1445 erstmals als „Böhmisch-Hermsdorf” erwähnt, obwohl es schon seit 1443 zu Sachsen gehörte. Bemerkenswert sind die vielen, teilweise gut erhaltenen Umgebindehäuser.

Wir beginnen unsere Wanderung am Gasthof „Erbgericht” und verfolgen zunächst die blaue Markierung in nördlicher Richtung. Im Ort geht es mit leichter Steigung die Weifbergstraße entlang. Das Haus Nr. 2 ist das ehemalige Floßmeistergut (nach 1750 erbaut). Außerhalb des Dorfes laufen wir dann durch Wiesen und Felder entlang der Alten Nixdorfer Straße, die den Hinterhermsdorfem bis 1542 als Kirchsteig ins böhmische Nixdorf (heute Mikulasovice) diente. Sie ist Teil der „Böhmischen Straße”, die im Mittelalter von Bautzen nach Böhmisch-Kamnitz (heute Ceska Kamenice) führte.

Nach etwa 25 Minuten erreichen wir eine Weggabelung, der wir die blaue Markierung verlassen und nun der roten Markierung nach rechts folgen. Der Weg führt durch den Wald dicht unterhalb des Weifberges. „Weifen” waren Holzgestelle zum Aufwinden des Garnes, die die Hinterhermsdorfer Leineweber früher hier aufstellten. Seit Beginn der Wanderung haben wir gut 100 Höhenmeter gewonnen. Nach einer runden Viertelstunde erreichen wir einen gelb markierten Weg, auf dem wir nach links abbiegen. Nach knapp 10 Minuten stoßen wir dann auf eine kleine Häusergruppe mit Einkehrmöglichkeit - das Schäferräumicht. Hier tritt der Weg in den Wald ein und verläuft zunächst in leichtem Gefälle, später etwas steiler ins Heidelbachtal hinab (gelbe und rote Markierung), welches wir nach etwa einer Viertelstunde erreichen. An der Wegkreuzung befindet sich eine kleine Schutzhütte. Von hier laufen wir den gelb markierten Bammelweg wieder bergan, kreuzen nach 10 Minuten die sogenannte Kalkstraße und erreichen etwas später die sächsisch-böhmische Landesgrenze im Weißbachtal, einem der schönsten Täler der hinteren Sächsischen Schweiz. Dem Weißbachtal folgen wir nun flußabwärts in einem zunächst V-förmig in den Lausitzer Granit eingeschnittenen Tal. Nach etwa 8 Minuten mündet von rechts der „Zeidlerweg” ein, ein alter Kirchsteig von Hinterhermsdorf ins böhmische Zeidler (heute Brtniky) aus vorreformatorischer Zeit. „Zeidlerei” ist eine alte Bezeichnung für eine Bienenwirtschaft. Etwa 100 Meter weiter mündet von rechts ein kleines Bächlein, der Schindergraben, ein. Nach weiteren 150 Metem steht man am Grenzstein 21/2 direkt an der Lausitzer Überschiebung.

Heutzutage kaum mehr sichtbar ist hier ein ehemaliger Aufschluß von Jurakalk, lediglich einige bewachsene Halden sind zu sehen. Das Kalkgestein wurde gegen Ende der Kreidezeit, als das nördlich lagernde Granitgestein um 600 Meter herausgehoben wurde, aus der Tiefe mit emporgepreßt. Weiter talabwärts sehen wir dann auf beiden Seiten des Baches Sandsteinfelsen, rechts der Benediktstein mit einer kleinen Höhlung direkt über dem Weg. Wegen der nahen Lausitzer Überschiebung ist der Sandstein hier teilweise geröllartig verformt. Etwas später erhebt sich links über dem böhmischen Ufer der Tyroler Stein. Nach etwa einer halben Stunde mündet der Weißbach in die Kirnitzsch ein. Wir laufen nun entlang der Waldgrenze durch die Talaue der Kirnitzsch bis zur kleinen Häusergruppe „lm Loch” mit einem schönen Umgebindehaus. Aufmerksame Beobachter werden am böhmischen Ufer neben der Straße die verlassenen Reste der Häuser von Hinterdaubitz entdecken können. Die Ansiedlung wurde nach Ende des zweiten Weltkrieges vom tschechischen Militär abgerissen. Der Weg führt uns nun über ein kleines Felshorn hinweg und mündet in die Kalkstraße im Heidelbachtal ein.

Geologisch interessierte Wanderer können etwa 400 Meter nach rechts das Heidelbachtal aufwärts wandern, wo man dicht unterhalb der Obermühle auf einer Waldlichtung einen wassergefüllten Kalksteinbruch finden kann (Naturdenkmal). Hier wurde ebenfalls früher direkt an der Lausitzer Überschiebung Jurakalk abgebaut. Im Frühjahr blühen hier auf den Talwiesen zahllose Himmelsschlüsselblumen. Die Obermühle bietet eine Einkehrmöglichkeit.

Wir folgen nun wieder der roten Markierung talabwärts und stoßen wieder auf die Kirnitzsch. Auch hier kann man auf dem böhmischen Ufer wieder Gebäudereste entdecken, es handelt sich um die ehemalige Böhmische Mühle. Auf der sächsischen Seite folgt nach einer scharfen Talbiegung die Hinterhermsdorfer Niedermühle, wenig später führt der gelbe Weg steil nach oben. Wer bereits müde ist, kann von hier in etwa 40 Minuten Hinterhermsdorf erreichen.

Von der Gabelung wandern wir weiter entlang der roten Markierung durch das Kirnitzschtal und erreichen nach etwa 15 Minuten die Bootsstation an der Oberen Schleuse, auf der böhmischen Seite erhebt sich die Martinswand. Zu Fuß oder per Boot geht es weiter zur Staumauer, die aus dem Jahre 1931 stammt, die Anlage der Schleuse geht aber schon auf das Jahr 1580 zurück. Wer einen zusätzlichen Aufstieg nicht scheut, kann nach etwa 5 Minuten rechts einen Abstecher zum Hermannseck machen, einem romantischen Aussichtspunkt hoch über dem Kirnitzschtal mit Blick auf das Lange Horn auf der böhmischen Seite.

Kurz darauf mündet von rechts das Seufzergründel (Naturdenkmal) ein. Der Name stammt von „seifen” ab, gemeint ist damit eine mittelalterliche Edelsteinwäsche. Gefunden wurden hauptsächlich Spinell und Hyazinth, aber auch Titan- und Magneteisenerz. Die Mineralien stammen von einem Basaltschlot unter der Hohwiese. Heute ist das Seufzergründel unter Naturschutz gestellt, das weitere Schürfen nach Mineralien ist strengstens verboten.

Weiter talabwärts mündet von links das Rote Floß (Cerveny potok) ein. Das enge Tal wird unten vom Schwarzen Tor (Cerna brana) abgeschlossen, einem großen Felsblock, der zwischen den Talwänden eingeklemmt ist. Hier kann man auch noch die Fundamente einer früheren Brücke über die Kirnitzsch entdecken.

Schon an der Niedermühle begann das NSG Kirnitzschklamm, das insgesamt 53 ha groß ist. Vom Wanderweg aus kann man immer wieder mächtige alte Fichten sehen, mit viel Glück auch mal eine uralte Tanne; Bäume, die aufgrund der Luftverschmutzung anderswo längst abgestorben sind. Etwa 40 Minuten wandern wir nun immer an der Kirnitzsch entlang, bis von links über eine breite Bachbrücke die Böhmerstraße auf das sächsische Ufer stößt. Auf böhmischer Seite stand hier bis zum Ende des zweiten Weltkrieges die Ansiedlung Hinterdittersbach, oft auch nur Kirnitzschschenke genannt. Sie bestand aus drei gutbesuchten Gasthäusern und einigen Forsthäusern. Einst befand sich hier ein Auskunftsbüro des Böhmischen Gebirgsvereins, man konnte sich auch „Schweizführer” und Kutschwagen mieten.

Heutzutage helfen hier nur noch Rucksackverpflegung, Wanderkarte und die eigenen Füße weiter. An den umliegenden Felswänden kann man einige größere Vorkommen von Schwefelflechte finden. Nach 5 Minuten biegen wir an einer kleineren Schutzhütte nach rechts in die Alte Böhmerstraße (auch Höllstraße oder Zollstraße genannt) ein, sie führt uns zurück nach Hinterhermsdorf. Nach weiteren 5 Minuten müssen wir uns links halten, rechts zweigt der Hollweg ab. Bald beginnt ein etwas beschwerlicher Aufstieg, nach rund 40 Minuten erreichen wir den Autoparkplatz an der Buchenparkhalle (Imbiß).

Hinterhermsdorf ist von hier bereits zu sehen, in wenigen Minuten haben wir den Ausgangspunkt unserer Tour erreicht. Die reine Laufzeit für diese Wanderung beträgt 4 1/2 bis 5 Stunden, Pausen müßten extra eingeplant werden. Als Wanderkarte kann die hervorragende „Wanderkarte der Sächsischen Schweiz - Hinterhennsdorf und die Schleusen - 1:10 000” von Rolf Böhm empfohlen werden.

Cornelius Zippe (Veröffentlicht in: Sächsische-Schweiz-Initiative, Heft 3, Dezember 1991, S. 20-21)


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